Auf den
zweiten Blick: DJV-Umfrage zu Jagdbüchsenmunition wirft Fragen auf
(Berlin, 28. November 2012).
Erfahrung im Umgang
mit Jagdbüchsenmunition: Knapp 1.700 Jägerinnen und Jäger haben an der gleich
lautenden Umfrage des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) teilgenommen und
Munition mit oder ohne Blei bewertet. Zentrales Ergebnis: „gute
Tötungswirkung“ ist mit 33 Prozent das meist genannte Kriterium, das
Jagdmunition erfüllen muss. Unabhängig vom Geschossmaterial bewerten die
Umfrageteilnehmer die Kriterien „Ausschuss“, „Schweiß“, „Präzision“ und
„Fluchtdistanz“ ihrer Munition mit der Schulnote gut oder besser.
Alles gut? Nicht ganz. Bei genauerem Hinsehen
fällt der hohe Anteil von Jägern auf, die mit bleifreien Geschossen unzufrieden
waren: Knapp 36 Prozent der 573 Schützen, die Jagdmunition mit alternativen
Materialien eingesetzt haben, kehrten dieser nach einer Testphase den Rücken
und verwenden wieder bleihaltige Geschosse. Der am häufigsten genannte Grund:
mangelnde Tötungswirkung. Die Jagd-Erfahrungen der drei Gruppen sind dabei
durchaus vergleichbar. Bleischützen haben laut Umfrage mit ihrer Munition
durchschnittlich 56 Stück Wild erlegt, Bleifreischützen 45 und diejenigen, die
von bleifrei auf Blei zurückwechselten, 36 Stück Wild. Von den insgesamt 1662
Umfrageteilnehmern haben zwei Drittel mit Bleimunition gejagt, 22 Prozent mit
bleifreien Geschossen und 12 Prozent wechselten von bleifrei wieder zu Blei.
Der DJV nimmt diese Erfahrungen aus der
Jägerschaft sehr ernst. Mit Berufung auf die jetzt parallel vorliegenden
vorläufigen wissenschaftlichen Ergebnisse zur Tötungswirkung von Jagdmunition
des Bundeslandwirtschaftsministeriums fordert der Verband, die im Handel
befindlichen Patronen auf den Prüfstand zu stellen – und zwar unabhängig vom
Geschossmaterial. „Tierversuche in freier Wildbahn darf es nicht geben. Wir
fordern eine Neubewertung aller Büchsenmunition“, sagte DJV-Vizepräsident Dr.
Wolfgang Bethe. Die wissenschaftlichen Grundlagen für ein unabhängiges
Prüfverfahren lägen jetzt erstmals vor und müssten von Herstellern und Politik
ernst genommen werden. Der DJV fordert, dass auf der jeweiligen
Patronenschachtel künftig neben den herkömmlichen ballistischen Angaben die
individuelle mögliche Einsatzentfernung kenntlich gemacht wird.
Von 1.662
Teilnehmern an der DJV-Umfrage nutzen 66 Prozent Bleimunition.
34 Prozent gaben an, Geschosse aus Alternativmaterialien getestet zu haben
oder regelmäßig zu nutzen. Von den 573 Umfrageteilnehmern, die Erfahrung
mit alternativen Geschossen haben, sind 36 Prozent nach einer Testphase
wieder zurück bei Bleimunition. Der meist genannte Grund: fehlende
Tötungswirkung.(Grafik: DJV)
DJV
fordert Neubewertung von Büchsengeschossen
–
Vorläufige Ergebnisse zur Tötungswirkung von Jagdmunition liegen vor –
(Berlin, 27. November 2012). Vertreter des
Bundeslandwirtschaftsministeriums sowie Wissenschaftler haben heute beim
Deutschen Jagdschutzverband (DJV) die vorläufigen Ergebnisse des
Forschungsprojektes zur Tötungswirkung von Büchsenmunition vorgestellt. Nach
der Auswertung von insgesamt über 11.000 Abschuss- und Laborberichten zeigt
sich: Entscheidend für die tierschutzgerechte Tötungswirkung eines Geschosses
ist dessen Wirksamkeit. Die kritische Grenzgeschwindigkeit des jeweiligen
Geschosses bestimmt dabei die maximale Einsatzentfernung – und zwar unabhängig
vom verwendeten Material. Festgestellt wurde die Wirksamkeit durch den Beschuss
von Seifenblöcken. Auch schweres Wild bis 250 Kilogramm – etwa Rothirsche oder
Keiler – lässt sich demnach mit bleihaltiger und bleifreier Munition gleichermaßen
bis zu einer Entfernung von 300 Metern tierschutzgerecht erlegen.
Voraussetzung: Die Mindestanforderungen an die Geschossleistung sind erfüllt.
Bei einigen getesteten Patronen – sowohl bleihaltig als auch bleifrei – lag die
ermittelte mögliche Einsatzentfernung allerdings bei null Metern, andere
erreichten gerade einmal 50 Meter. Diese Werte sind für die jagdliche Praxis
völlig unzureichend.
Auf Basis der vorläufigen Ergebnisse fordert
der DJV von den Munitionsherstellern, künftig die Aussagen zur Ballistik auf
der Munitionsverpackung zu erweitern. „Wir Jäger müssen mit einem Blick die
maximale Einsatzentfernung erkennen können, bei der die jeweilige Patrone noch
ausreichend wirkt“, sagte DJV-Vizepräsident Dr. Wolfgang Bethe, und weiter:
„Wir wollen keine Experimente am lebenden Tier.“
Zudem fordert der DJV die Politik auf, die gesetzlichen Mindestanforderungen zu
überarbeiten. Die derzeit gesetzlich verankerte Auftreffenergie von Geschossen
auf 100 Meter Entfernung von 1.000 Joule fürRehwild und 2.000 Joule für das
übrige Schalenwild ist nach neustem Kenntnisstand ungeeignet, um dem Tierschutz
künftig Rechnung zu tragen.
Carl Gremse und Professor Siegfried Rieger
von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) haben für 19
Geschosstypen die kritische Grenzgeschwindigkeit ermittelt. Das unabhängige
wissenschaftliche Verfahren lässt es erstmals zu, für jedes Geschoss im
jeweiligen Kaliber die entsprechende kritische Geschwindigkeit – und damit die
Einsatzentfernung – zu ermitteln. Dies gilt auch für Kurzwaffen.
Der endgültige Abschlussbericht des
Forschungsvorhabens zur Tötungswirkung von Büchsengeschossen wird im Frühjahr
2013 erwartet. Dann liegen weitere wertvolle Fakten für die Diskussion um
bleihaltige und bleifreie Jagdmunition vor. „Wir brauchen eine wissensbasierte
Entscheidung und keine politisch motivierte“, betonte DJV-Vizepräsident Dr.
Bethe. Abzuwarten sind die Ergebnisse des Projekts „Lebensmittelsicherheit von
jagdlich gewonnenem Wildbret“. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
führt derzeit in enger Zusammenarbeit mit dem DJV und anderen Partnern eine
Studie zur Hintergrundbelastung von Wildbret durch. Ziel des Projektes ist es,
zu analysieren wie viel Blei, Kupfer und Zink grundlegend im Wildbret ist und
wie viel eventuell durch Jagdmunition eingetragen wird. Die Aussagen dieses
Projektes sind maßgeblich für den weiteren Entscheidungsprozess. Ein voreiliges
Verbot von Bleimunition lehnt der DJV weiterhin ab.