Im Herbst erreicht die Jagdsaison in Brandenburg ihren Höhepunkt / Nachwuchssorgen in einigen Regionen
Birkholz
Ronny Lendzian kennt sein Revier. Durch das olivgrüne Fernglas
schweift der Blick des Jägers über die Äcker am Rande des kleinen Ortes
Birkholz im Landkreis Barnim.
Er sitzt auf einem schlichten hölzernen Hochsitz, die Füße in
Gummistiefeln, die tarnfarbene Jacke ist gut gefüttert. "Da hinten wird
gerade Mais geerntet", sagt Lendzian und zeigt auf ein Feld, das an ein
kleines Waldstück grenzt. "Darin verstecken sich immer die
Wildschweine."
Der Herbst ist traditionell die Hauptsaison der Jagdzeit. Lendzian
ist dabei, seit er ein kleiner Junge war. "Mein Großvater hat mich immer
mitgenommen", erzählt der Forstwirt. Insgesamt knapp 400 Hektar Wald-
und Feldflächen hat der 37-Jährige gepachtet. Dort ist er verantwortlich
für den Schaden, den das Wild anrichtet. Je nach Jahreszeit schießt er
Marder, Rehe und vor allem Wildschweine. Deren Abschussquote ist in
Brandenburg nach oben offen. "Ich habe in den letzten Tagen elf Sauen
geschossen", erzählt Lendzian. Damit steuere er auf einen neuen
Jahresrekord zu.
"Die Wildschweinpopulation in Brandenburg ist in den vergangenen 20
Jahren stetig gewachsen", sagt der Geschäftsführer des
Landesjagdverbandes, Bernd Möller. Die Allesfresser würden jährlich
schwere finanzielle Schäden auf den Feldern anrichten. Besonders beliebt
sei der Mais, erläutert Möller. Da dieser in Brandenburg immer mehr
angebaut werde, steige auch das Nahrungsangebot für die Wildschweine.
Ergebnis seien eine gute Vermehrung und noch mehr Schaden für die
Bauern.
Für Renate Seidel, Vorsitzende des Tierschutzbundes in Brandenburg,
ist dies jedoch kein Grund, zur Waffe zu greifen. "Wir lehnen die Jagd
prinzipiell ab", sagt Seidel. Den in der Natur lebenden Tieren müsse die
Möglichkeit gegeben werden, ihre Population selbst zu regulieren. Nicht
die Wildschweine, sondern die Menschen seien der Ursprung des Problems,
sagt Seidel. "Es ist nicht das Tier, das auf die Flächen des Menschen
drängt, sondern es sind die Menschen, die in die Reviere der Tiere
vorrücken." Wer sich ein Grundstück am Waldrand kaufe, dürfe sich nicht
wundern, wenn dort ab und an Wildschweine auf den Hof kämen.
"Wir leben in Deutschland nun mal nicht im Urwald, sondern in einer
Kulturlandschaft", betont hingegen der Jäger Möller. Dort müsse
zwangsläufig in die Population eingegriffen werden.
Doch es ist ungewiss, ob sich auch in Zukunft noch genug Jäger für
die Aufgabe finden lassen. "Viele Regionen haben schon Schwierigkeiten,
private Pächter für die Jagdflächen zu finden", sagt Möller. Die
Abwanderung der jungen Leute aus vielen Regionen in der Mark bringe auch
eine Überalterung der Jäger mit sich. "Punktuell gibt es da schon
Probleme, etwa in den weit von Berlin entfernten Regionen, zum Beispiel
der Uckermark." Dramatisch sei das Nachwuchsproblem zum Glück jedoch
noch nicht.
Lendzian kann sich nicht vorstellen, das Gewehr an den Nagel zu
hängen. Für ihn ist die Jagd ein ganz natürlicher Bestandteil des Lebens
auf dem Land. Zum Schießen benutzt er meist bleihaltige Munition, eine
effektivere habe er noch nicht gefunden, sagt der Jäger.
Die Bleikugeln sind jedoch bei Tierschützern sehr umstritten. Denn
oft kommt es vor, dass vor allem Wasservögel oder Beutegreifer die
angeschossenen Tiere fressen und sich mit dem Blei vergiften. Dass die
Tiere möglichst mit einem Schuss getötet werden und nicht verwundet
weglaufen, sei ihm wichtig, sagt Lendzian. Wenn dies doch passiert, ist
der Einsatz von Bautz gefragt. Der kleine schwarze Terrier ist ein
zuverlässiger Gefährte auf der Jagd. Ihn hat er am liebsten mit auf
seinem Hochsitz.
Zum Thema:
In Brandenburg darf auf etwa
2,7 Millionen Hektar gejagt werden,
genutzt werden aber nur 2,5 Millionen Hektar. Davon fallen etwa eine
Million Hektar auf Wald- und 1,36 Millionen Hektar auf
Landwirtschaftsflächen. 2010/2011 verzeichnete das Land rund
16 000 aktive Jäger, die meist auch Pächter der Flächen waren. 2010/2011 verursachte das Wild auf Feldern und im Wald einen
Gesamtschaden von rund 2,7 Millionen Euro. Im
Jagdjahr 2011/2012
wurden in Brandenburg 67 568 Rehe und 60 847 Wildschweine erlegt,
gefolgt von 25 035 Füchsen. An letzter Stelle der Statistik über das
Jagdjahr 2011/2012 stehen Kaninchen mit einem Abschuss von 91 Tieren.
dapd/sm