Potsdam (MOZ)
Brandenburg muss Geld sparen - auch im Wald. Deshalb sollen mehr
Rehböcke geschossen werden. Allerdings gibt es Widerstand, rechtliche
Probleme und letztlich eine ziemlich verworrene Situation.
Das Land hat seit dem Jahr 2000
rund 174 Millionen Euro für den Waldumbau ausgegeben. Ziel ist es, von
der Kiefern-Monokultur wegzukommen und wieder bei den ursprünglichen
Mischwäldern zu landen. Das verringert die Brandgefahr, für die
Kiefernstangenwälder berüchtigt sind, und leistet einen Beitrag zur
Artenvielfalt. Die "Waldvision 2030" des Infrastrukturministeriums sieht
außerdem vor, dass sich in 20 Jahren die Hälfte des Waldes natürlich
verjüngt, ohne Aufforstungen. 2011 wurden noch mehr als 95 Prozent der
Verjüngung durch Pflanzungen bewerkstelligt. Bei einem Großteil davon
sind Zäune notwendig, um die jungen Bäume vor Bissschäden durch Wild zu
schützen.
Der Abteilungsleiter Landwirtschaft im
Infrastrukturministerium, Hans-Rüdiger Schubert, hat im Frühjahr im
zuständigen Ausschuss erklärt, dass mittelfristig kein Geld mehr für
entsprechende Einhegungen zur Verfügung steht. Die "Waldvision" sieht
deshalb die Null-Toleranzpolitik gegenüber Verbiss- und Schälschäden vor
- auf Deutsch: Es soll viel mehr Wild geschossen werden.
In diesem Zusammenhang steht eine
Durchführungsverordnung Jagd, die Schubert im Frühjahr vorlegte und die
Abschusszeiten für Rehböcke, die bislang am 16. Oktober endeten, bis zum
31. Dezember ausweitet. Gleichzeitig soll der Abschuss von Rehwild
insofern liberalisiert werden, als dass Jäger künftig ihre
Abschusszahlen überschreiten dürfen, ohne mit Ordnungsgeldern belegt zu
werden.
Vor allem im Landeswald sollen die neuen
Ziele rigoros umgesetzt werden. Auf einer Dienstberatung mit dem
Landesforstbetrieb sprach Schubert davon, dass die Jagd der Schlüssel
zur erfolgreichen Waldwirtschaft sei. Außerdem rügte er, dass im
Landeswald die Vorgaben der Jagdpläne nicht erfüllt werden. So sind bei
Rehwild im vergangenen Jahr nur 73 Prozent der vorgesehen 9141 Tiere
geschossen worden.
Der Landesjagdverband läuft gegen die
Neuregelung Sturm. In einem Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck
heißt es, das Ministerium wolle wirtschaftliche Interessen durchsetzen
und übe Druck auf die Jägerschaft aus. Besonders aufgebracht ist man
über eine Äußerung Schuberts, der die Oberförster aufforderte, die
unteren Jagdbehörden oder Hegegemeinschaften zu melden, die Probleme
machen. Von "wildfeindlicher" Handlungsweise ist die Rede. Außerdem
weist der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes, Bernd Möller, darauf
hin, dass mit der verlängerten Jagdzeit für Böcke nur das
Geschlechtergleichgewicht zerstört wird.
Obwohl der Landtagsausschuss die neue
Dienstverordnung billigte, Bedenken hatte lediglich die CDU, ist sie
noch nicht in Kraft getreten. Das Infrastrukturministerium räumte in
dieser Woche ein, dass rechtliche Bedenken bestehen, ob die geplanten
Veränderungen überhaupt auf Landesebene geregelt werden können. Leider
sei die rechtliche Prüfung erst erfolgt, als das Verfahren bereits in
Gang gesetzt worden war und die Jäger sich bereits in Aufruhr befanden.
Kommentar von
Peter-C.Neigenfind:
Es ist schon erstaunlich wie einseitig die Schäden vom Forst
betrachtet werden und mit welcher Logik
vorgegangen werden soll. Abschussverlängerung für den Rehbock bis
31.12.
Machen nur Rehböcke Verbisschäden, Ricken und Kitze nicht ? Was
ist mit Rot- und Damwild.
Hier wird keine Alternative gefordert weil deren Trophäen
vielleicht die Kassen des Landesbetrieb Forst füllen ?
Herr Hans-Rüdiger Schubert gibt zu das der Rehwildabschuss im
Forst im vergangenem Jagdjahr nur
zu 73% erfüllt wurde. Im Landkreis Barnim z.B. aber durch die
Jägerschaften und Hegegemeinschaften mit 84,25%. Wenn also im Forst der Abschussplan erfüllt würde brauchte
man keine Jagdzeitverlängerung.
Und wie will man gleichzeitug mit Personalabbau im
Forst höhere Abschusszahlen erreichen ?
Die Jahresstrecken von Rehwild sind von 951.975 im Jagdjahr
1991/92 auf 1.113.597 im Jagdjahr 2010/11
gestiegen. Allein in Brandenburg kamen im
JJ 2009/10 72.412 und im JJ 2010/11 68.326 Stück
Rehwild
zur Strecke. Man sieht das die Jägerinnen und Jäger aktiv sind um
die Ziele der Abschusspläne zu erreichen.
Wie bereits der LJV-Brandenburg ausführte kann man mit solchen
Maßnahmen nur die Strucktur der Rehwildbestände zerstören.
Man kann nur hoffen das die neue Dienstverordnung dort hin kommt
wo sie hingehört, in den Papierkorb.
Peter-C.Neigenfind
Öffentlichkeitsarbeit
JV Bernau
Kommentar von Jörg Stendel:
Sehr geehrte MOZ-Redaktion, sehr geehrter Herr Thiessen,
vielen Dank dafür, dass Sie sich in der Märkischen
Oderzeitung des Themas so engagiert annehmen. Erlauben Sie mir bitte, den
vielen möglichen Sichtweisen die meinige in Form des folgenden Beitrages hinzu
zu fügen:
Sicher, der Flughafen, die CO2-Thematik, Solarwirtschaft
– über Mangel an problematischen Themen kann sich die Landesregierung nicht
beschweren. Umso mehr muss sie auf die zuverlässige, fachlich fundiere Arbeit
der Fachgremien vertrauen dürfen. Zumindest was die Wald-Wild-Problematik
anbelangt, wird dieses Vertrauen z.Zt. arg strapaziert, wenn nicht gar
missbraucht. Hier wird im Schatten großer und augenscheinlich wichtigerer
Baustellen versucht, den Abgeordneten ein Thema in Form einer Rechtsverordnung
zur Veränderung der Jagdzeiten zum Abnicken unter zu jubeln. Bisher noch ging
dieser Versuch schief.
Ich gehe davon aus, dass dem zitierten Herrn Schubert und
seinen Mannen die 2010 vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebene Karte der
potenziellen natürlichen Vegetation Deutschlands bekannt ist. Danach wüchsen
ohne den Einfluss des Menschen bei uns im Barnim vorwiegend Buche, Hainbuche,
Traubeneiche und Winterlinde.
Hierhin „zurück“ zu kommen, braucht es keine
Forstwirtschaft. Um dies zu erreichen, würde Nichtstun über einige
Menschengenerationen hinweg völlig ausreichen. Wenn man schon sparen will:
Billiger als so geht’s nicht. Der Wald braucht uns Menschen nicht. Aber: Wir
Menschen brauchen den Wald. Einen Wald, der auch eine Nutzfunktion erfüllt.
Nach wie vor verbrauchen Menschen auch in Brandenburg Holz, vor allem Nadelholz
– Kiefern aus heimischen Wäldern. Es ist als Werkstoff unverzichtbar, da
elastisch, witterungsbeständig und schnellwachsend. Ein nachwachsender Rohstoff
in allerbestem Sinne. Nicht einmal eine brauchbare Dachlatte jedoch ließe sich aus
Buche oder gar Hainbuche oder Linde herstellen – aus Kiefer schon.
Der viel beschworene Waldumbau mag das Wunschdenken Mancher
befriedigen, wird aber in der Folge dazu führen, dass der Nadelholzbedarf nicht
mehr hierzulande gedeckt werden kann. – Ich sehe darin eine Respekt- und
Verantwortungslosigkeit unseren eigenen Kindern und unseren Mitmenschen in
anderen Regionen der Welt gegenüber. Unsere Enkel werden Nadelholz irgendwo in
der Welt zukaufen müssen. Der eigene Wald vor der Haustür wird zwar sehr schön
und romantisch sein, aber allenfalls Brenn- und Schnitzholz und hier und da
Holz für ein Tischbein liefern. Nachhaltigkeit ist anders!
Junge Laubholztriebe sind nun mal eine Delikatesse für
widerkäuendes Wild. Kleine Laubholz-Inseln von wenigen Hektar oder gar
Quadratmetern Größe, wie sie beim Waldumbau angelegt werden, wirken auf das
Wild über Kilometer hinweg wie ein unwiderstehlicher Magnet. Die auf unseren
armen Böden langsam wachsenden Laubhölzer brauchen oft lange, mitunter zu
lange, um so weit in die Höhe zu wachsen, dass deren Spitzen außerhalb der
Reichweite von Reh und Hirsch sind.
Die hieraus resultierende Forderung, dann eben Hirsch, Reh
und Co. zu dezimieren, zeugt wiederum von Respekt- und Verantwortungslosigkeit
– diesmal gegenüber den Tieren. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ja, in
einigen Regionen sind die Wildbestände höher, als sie sein sollten. Doch vor
allem hier müsste Sachverstand das Handeln bestimmen und nicht Aktionismus von
Ministerialbeamten. Es zeugt aber gerade nicht von Sachverstand, wenn
ausgerechnet die Ausdehnung der Bockjagd bis zum 31. Dezember zur Lösung des
Problems erklärt wird. In Versuchsrevieren hat man im Vorfeld bereits die
zahlenmäßigen Obergrenzen für den Abschuss aufgehoben und die Bockjagd bis zum
31.12. erlaubt. Eines der peinlichen vorläufigen Ergebnisse: Es kommen
keineswegs bedeutend mehr Rehe zur Strecke. Lediglich der Anteil der
geschossenen männlichen Tiere erhöht sich auf Grund der längeren Jagdzeit.
Umkehrschluss: Es bleiben mehr Ricken als bei herkömmlichen Jagdzeiten am
Leben. Die Folge ist eine erhöhte Reproduktion mit noch weiter und schneller
ansteigenden Rehbeständen in den kommenden Jahren. Es tritt also das genaue
Gegenteil dessen ein, was man vorgibt, erreichen zu wollen.
Einziger „Vorteil“ dieser Verfahrensweise: Bei den
winterlichen Bezahljagden wird man in Zukunft den Schuss auf alles mit braunem
Fell erlauben dürfen. Es ist ja schließlich egal, ob Ricke oder Bock, ob jung
ob alt, ob 1, 5, 10 oder mehr Stück auf der Strecke liegen – Hauptsache, die
teilweise von weither angereisten Zahlgäste haben ihren „Spaß“ und kommen (mit
Brieftasche) gern wieder. Die auf diese Weise von Menschenhand zerstörte
natürliche Alters- und Geschlechterstruktur wird man für ein paar Sechser
in Kauf nehmen – dank der neuen Rechtsverordnung.
Barnimer Jäger sind aus diesem Grunde vielfach nicht nur
skeptisch gegenüber der drohenden Rechtsverordnung. – Sie sind oftmals empört,
und das zu Recht!
Ich würde mich freuen, meine Ausführungen zumindest in
Teilen, z.B. bei den Leserzuschriften, wieder zu finden.